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Perspektiven sozialwissenschaftlicher Klimaforschung

Lange galten die Naturwissenschaften als „zuständig“ für die Klimaforschung. Entsprechend unterrepräsentiert waren die Sozialwissenschaften im Klimadiskurs. Doch inzwischen hat die Wahrnehmung vom Klimawandel als zentrales gesellschaftliches Problem zu einer Vielzahl an sozialwissenschaftlichen Publikationen geführt – und zu einer wachsenden Unübersichtlichkeit. Der Sammelband „Schlüsselwerke der sozialwissenschaftlichen Klimaforschung“ will Orientierung geben und thematisiert zentrale Texte dieses Forschungsfeldes. Die ISOE-Forscher*innen Alexandra Lux, Lena Theiler und Thomas Friedrich haben sich für den Band mit Transdisziplinarität und Ethnologie in der Klimaforschung beschäftigt.

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Bosco Verticale in Mailand
Bosco Verticale in Mailand (Foto: pierluigipalazzi - stock.adobe.com)

Der Klimawandel ist ein komplexes gesellschaftliches Problem. Zu seiner Erforschung haben verschiedene wissenschaftliche Disziplinen bereits viel Wissen beigetragen. „Die naturwissenschaftliche Klimaforschung kann erklären, warum der Klimawandel entsteht und welche Auswirkungen er auf Ökosysteme hat. Die sozialwissenschaftliche Klimaforschung kann zeigen, wie fossile Rohstoffe gesellschaftliche Entwicklungen prägen, aber auch, wie Klimawandel als soziales Konstrukt in unterschiedlichen gesellschaftlichen Sphären gerahmt und verhandelt wird“, schreiben Alexandra Lux und Lena Theiler im ihrem Beitrag über Transdisziplinarität als Forschungsmodus für integrative Klimaforschung. 

Es gehe beim Klimawandel nicht allein darum, das Problem wissenschaftlich zu verstehen, sondern auch um Lösungen für Politik und Gesellschaft. „Solche Fragen kann keine Disziplin allein beantworten, und für eine gute Umsetzung braucht es zusätzlich praktisches Wissen,“ betonen die Autorinnen und verweisen auf den transdisziplinären Forschungsmodus, der für solche komplexen Fragestellungen entwickelt wurde. In ihrem Beitrag skizzieren Lux und Theiler einen idealtypischen transdisziplinären Forschungsprozess und verweisen zugleich auf wissenschaftliche Schlüsseltexte, die für das Verständnis dieses integrativen Forschungsmodus hilfreich sind. 

Umweltethnologie eröffnet neue Forschungsperspektiven im Klimawandeldiskurs

ISOE-Forscher Thomas Friedrich konzentriert sich in seinem Beitrag für den Sammelband auf eine Unterdisziplin der sozialwissenschaftlichen Klimaforschung, die Umweltethnologie, und deren frühe Prägung durch die Ethnologinnen Margaret Mead und Mary Douglas. Insbesondere Douglas Sichtweise habe dazu beigetragen, „dass ökologische Risiken heute nicht nur als objektiv-messbare Tatsachen erforscht werden, sondern auch als soziale Konstruktionen“. Damit seien neue Forschungsperspektiven im Klimawandeldiskurs eröffnet worden, die zur Entwicklung einer Klimawandelethnologie geführt haben. Diese Entwicklung zeichnet Friedrich in seinem Beitrag mit Hinweisen auf entscheidende wissenschaftliche Texte nach. 

Friedrich zeigt auch den Ursprung der noch jungen Disziplin in der Umweltethnologie auf. Hier waren Mensch-Umwelt-Beziehungen, die die Ethnologie traditionell in kleinen, oft isolierten Gesellschaften untersucht, von Beginn an zentraler Forschungsgegenstand. Der Blick auf gegenseitige Einflüsse von Wetter, Klima und Gesellschaften ebenso wie auf globale Zusammenhänge öffnete sich jedoch erst Ende des 20. Jahrhunderts durch die Katastrophenforschung. Friedrich zeigt, wie die Globalisierung zunehmend den Analyserahmen ökologischer Ethnographien auf lokale Kontexte sprengte und sich das Verständnis einer globalen Ökologie entwickelte, die Ursachen und Wirkungen berücksichtigte. Daran knüpfte die ethnologische Klimaforschung an, zu deren besonderen Herausforderungen es bis heute gehört, lokale, geografische und disziplinäre Grenzen zu überwinden, „da nur so die komplexen Verflechtungen, die der Klimawandelthematik innewohnen, angemessen berücksichtigt werden können.“

Friedrich, Thomas (2022): Ethnologische Klimawandelforschung. In: Ibrahim, Youssef/Simone Rödder (Hg.): Schlüsselwerke der sozialwissenschaftlichen Klimaforschung. Bielefeld: transcript Verlag, 317-324

Theiler, Lena/Alexandra Lux (2022): Transdisziplinarität als Forschungsmodusfür integrative Klimaforschung. In: Ibrahim, Youssef/Simone Rödder (Hg.): Schlüsselwerke der sozialwissenschaftlichen Klimaforschung. Bielefeld: transcript Verlag, 407-414

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