Namibia ist das trockenste Land in Afrika südlich der Sahara und steht beispielhaft für die Verluste an savannentypischer Graslandschaft. Extreme Dürren, Bevölkerungswachstum, Urbanisierugngsprozesse und landwirtschaftliche Nutzung setzen den Böden zu. Wissenchaftler*innen sprechen von Übernutzung, wenn die Böden durch landwirtschaftliche Bewirtschaftung so stark strapaziert werden, dass sie unfruchtbar zu werden drohen.
Untersuchungen im Forschungsprojekt „NamTip“, an denen auch das ISOE beteilt ist, zeigen: Zentrale Ursache für die sogenannte Degradierung der Böden ist die Übernutzung. Sie führt nachweislich zu einer Verschlechterung und Ausdünnung der Graslandschaft. Für die Weidewirtschaft notwendige, höherwertige und mehrjährige Gräser werden dabei durch minderwertige, einjährige Gräser abgelöst. Neue Gräser wachsen nicht nach, weil sich auch das Reservoir an Samen zunehmend erschöpft. Bleibt dann der blanke Boden zurück, wird ein Kipppunkt erreicht, an dem die Verwüstung einsetzt. Dieser Prozess der „Desertifikation“ ist kaum noch umkehrbar. Unter bestimmten Bedingungen kann Übernutzung und die Verminderung der Grasvegetation auch mit einer stärkeren Verbuschung verbunden sein, die die Farmer ebenfalls vor große Herausforderungen stellt.
Besitzverhältnisse in Trockengebieten beeinflussen die Flächenproduktivität von Böden
An den namibischen Forschungsstandorten zeigt sich, dass die Degradierung der Böden unterschiedlich weit fortgeschritten ist. Weideland in kommunalem Besitz ist im Gegensatz zu privaten Flächen oft stärker betroffen. Gründe dafür liegen zum einen in einer diskriminierenden Politik während der Kolonialzeit, deren Folgen bis heute spürbar sind: Die Kommunalfarmer wurden in sogenannnte Homelands gezwungen, wo es im Vergleich zu privaten Farmgrundstücken zu Überbevölkerung und Überweidung gekommen ist. Dass die Kommunalfarmer in ihren Möglichkeiten eingeschränkt wurden, mit ihrem Vieh von Ort zu Ort zu ziehen, hat sich langfristig negativ auf die Weidequalität ausgewirkt.
Erschwerend hinzu kommen zum anderen jüngere gesetzliche Vorgaben, die den Dorfgemeinschaften in den letzten Jahren die Entbuschung verbieten. Sie ist aber notwendig, da Verbuschung die Flächenproduktivität empfindlich stört. Dichte Sträucher und Büsche verdrängen andere Pflanzen, insbesondere Gräser, die unter anderem dem Vieh als Nahrungsquelle dienen. Auch für Wildtiere stellt die Verbuschung ein Problem dar, da sie deren natürliche Beweglicheit erheblich einschränkt und zu abnehmenden Wildtierpopulationen führt. Um zu verhindern, dass weite Teile der Savannen mit ihren vielfältigen Funktionen für Mensch und Tier irreparabel zerstört werden, sind Konzepte für eine nachhaltige Bewirtschaftung der Weideflächen gefragt. Aus Sicht der Wissenschaftler*innen des ISOE sind solche Konzepte elementar, denn Studien zeigen, dass der Klimawandel in naher Zukunft diese Entwicklung durch die Zunahme von CO2 in der Atmosphäre, höhere Temperaturen und veränderte Wasserverfügbarkeiten voraussichtlich verschärfen wird. Deswegen wird erwartet, dass sich in Namibia die für das Weidemanagement günstigen Zonen weiter nach Norden verschieben und immer größer werdende Savannenflächen an Produktivität verlieren.
Wissenstransfer entscheidend für erfolgreiche Transformationsprozesse
Lösungen für das Ökosystem der namibischen Savanne sehen ISOE-Forscher*innen vor allem in der Abkehr von der bodenintensiven, konventionellen Viehhaltung. Nationale Policies sollten auf ein saisonal angepasstes Weidemanagement ausgerichtet sein und der Verbuschung vorbeugen, damit eine bodenschonendere Landwirtschaft zum Standard wird. Die Forscher*innen empfehlen zudem die als nachhaltiger geltenden Bewirtschaftungsstrategien mit heimischen Wildtieren, denn sie sind besser an die lokalen klimatischen und ökologischen Bedingungen angepasst. Doch diese Nutzungsform bringt viele Konflikte mit sich: Farmer, Dorfgemeinschaften, Naturschutz und Behörden blicken mit sehr unterschiedlichen Prioritäten, wirtschaftlichen Interessen und Wertvorstellungen auf die Nutzung von Böden.
In den Forschungsprojekten „NamTip: Desertifikations-Kipppunkte verstehen und bewältigen – eine namibische Perspektive“ und „ORYCS – Wildtier-Managementstrategien in Namibia“ untersucht das ISOE deshalb zusammen mit den Projektpartnern, wie nachhaltige Lösungen vor Ort in die Praxis vermittelt werden können. Dafür ist es entscheidend, dass Wissenschaft und Forscher*innen mit den Akteuren aus der Praxis in den Dialog gehen. In einem englischsprachigen Policy-Brief zeigen Wissenschaftler*innen des ISOE, wie Ergebnisse aus der Forschung – idealerweise transdisziplinär – in die Praxis kommen, um dort Veränderungsprozesse anzustoßen.
Zum ISOE-Policy Brief:
How to reach people through knowledge transfer – Sustainability and conservation research: addressing Namibian land users. Deike U. Lüdtke, Verena Rossow, Nicola Schuldt-Baumgart, Stefan Liehr (2022). ISOE Policy Brief Nr. 9. Frankfurt am Main: ISOE – Institut für sozial-ökologische Forschung. Download: www.isoe.de/fileadmin/Edit/PDF/Publ/2022/isoe-policy-brief-09-2022.pdf
Mehr über die Forschungsprojekte „ORYCS – Wildtier-Managementstrategien in Namibia“ und „NamTip: Desertifikations-Kipppunkte verstehen und bewältigen – eine namibische Perspektive“:
www.orycs.org
www.isoe.de/nc/forschung/projekte/project/orycs
www.namtip.uni-bonn.de
www.isoe.de/nc/forschung/projekte/project/namtip-2
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
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