Dr. Marion Mehring leitet am ISOE – Institut für sozial-ökologische Forschung das Forschungsfeld Biodiversität und Gesellschaft. Sie ist zudem Leitautorin des Kapitels „Transformationspotenziale zum Erhalt der biologischen Vielfalt“ im „Faktencheck Artenvielfalt“, einem Projekt zur umfassenden Einschätzung und Bewertung der Biodiversität in Deutschland im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF). Mehring ist auch als Expertin im Leitungsgremium der „Biodiversitäts-Exploratorien“ der Deutschen Forschungsgemeinschaft vertreten.
Sie waren im vergangenen Jahr am Dialogprozess zur Entwicklung der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt 2030 beteiligt. Wie gut sind wir dort vorangekommen?
Grundsätzlich ist es aus meiner Sicht ein Fortschritt, dass die Nationale Strategie zur biologischen Vielfalt 2030 betont, dass eine Trendwende zum Erhalt der Artenvielfalt dringend notwendig ist. Das ist ein wichtiger Schritt. Ähnliches stand bereits im Abschlussbericht der „Zukunftskommission Landwirtschaft“ der Vorgängerregierung. Aber solange die Strategie im Entwurfsstadium bleibt, nützt sie uns wenig. Der Biodiversitätsverlust schreitet voran und nimmt auf zögerliche politische Prozesse keine Rücksicht.
Sie spielen darauf an, dass sich die Nationale Strategie zur biologischen Vielfalt 2030 verzögert?
Nicht nur das. Dass die Verabschiedung der NBS 2030 so lange auf sich warten lässt, ist das Eine. Das Andere ist, dass in Deutschland und übrigens auch in der EU insgesamt eine bedenkliche Entwicklung zu beobachten ist. Trotz internationaler und nationaler Verpflichtungen, werden ja auch bereits ausgehandelte Maßnahmen verzögert. Gemeinsam von Naturschutz und Landwirtschaft ausgehandelte Strategien und Maßnahmen, wie die aus der genannten Zukunftskommission Landwirtschaft, werden nicht umgesetzt.
Welche Schlüsse ziehen Sie daraus?
Da vollzieht sich eine Art ökologischer Rollback beim Biodiversitätsschutz. Bestehende Regelungen mit sinnvollen Umweltstandards werden zurückgenommen, wie zum Beispiel die Flächenstilllegung. Dringend notwendige Gesetze wie das „Nature Restoration Law“, für das das EU-Parlament im Juli 2023 gestimmt hat, hat der EU-Umweltrat nur mit denkbar knapper Mehrheit im Juni 2024 beschlossen. Anstatt des „Green Deal“ setzt die EU-Kommission kontraproduktive Agrarförderungen durch. Das ist nicht einmal im Sinne der Land- und Forstwirtschaft zielführend, denn sie sind ja selbst vom Biodiversitätsverlust betroffen. Das Zögern, Zaudern und Zurücknehmen von verabredeten Standards ist nicht nur fatal für die Artenvielfalt, sondern auch für Unternehmen, Land- und Forstwirtschaft. Fatal ist es letztlich für alle, dass von den verabredeten Verpflichtungen für den Schutz der Artenvielfalt zum großen Teil nur noch Lippenbekenntnisse übrig sind.
Das vollständige ISOE-Interview mit Marion Mehring finden Sie in unserem Blog Soziale Ökologie:
https://isoe.blog/biodiversitaetsverlust-nimmt-auf-zoegerliche-politische-prozesse-keine-ruecksicht
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