Mit einer speziell konzipierten Orientierungsberatung können Kommunen eine sogenannte Wohnraummobilisierung anstoßen, indem Menschen beispielsweise ihre zu groß gewordenen Häuser in der Nachfamilienphase durch einen Umbau teilen, so dass eine neue zusätzliche Wohnung entsteht. Dadurch können vorhandene Wohnflächen nachhaltiger genutzt werden. Denn weniger Wohnfläche pro Person bedeutet beispielweise auch weniger Bedarf an Raumwärme pro Person. Auf diese Wiese wird auch das Klima geschützt. Im Forschungsprojekt „Lebensräume“ hat ein Forschungsteam von ISOE – Institut für sozial-ökologische Forschung, Öko-Institut und ifeu – Institut für Energie- und Umweltforschung schon 2021 gemeinsam mit dem Kreis Steinfurt in Nordrhein-Westfalen ein Beratungs- und Unterstützungskonzept entwickelt, das es Kommunen ermöglicht, ältere Hauseigentümerinnen und Hauseigentümer gezielt für eine Wohnraummobilisierung anzusprechen.
In 60 Prozent der Eigenheime wohnen eine oder zwei Personen
Die Forschungsarbeit des ISOE zur demografischen Entwicklung und zu den Bedürfnissen der Bewohnerinnen und Bewohner im Kreis Steinfurt zeigte: Viele Menschen sind nicht abgeneigt, anders zu wohnen. Etwa drei Viertel der Befragten mit Eigenheim können sich grundsätzlich einen Umzug in eine altersgerechte barrierefreie Wohnung oder in ein kleineres Haus vorstellen. Im Jahr 2018 besaßen mehr als ein Drittel der deutschen Haushalte ein Ein- oder Zweifamilienhaus. 60 Prozent dieser Eigenheime werden von einer oder zwei Personen bewohnt, fast immer von Menschen in der Nachfamilienphase. Ihre Wohnflächen sind überdurchschnittlich groß und der energetische Standard niedrig.
Gleichzeitig entstehen an den Ortsrändern Neubaugebiete. Diese Gebiete benötigen neue Infrastruktur, verbrauchen neue Flächen und bringen Erschließungskosten mit sich. Etwas mehr als die Hälfte der Befragten im Alter ab 55 Jahren gab an, über ungenutzte Räume im eigenen Haus zu verfügen. Etwa ein Drittel der Befragten wohnen in einem Haus, das über eine abgeteilte weitere Wohnung verfügt – 60 Prozent dieser Wohnungen sind nicht vermietet. Daraus ergibt sich ein großes Potenzial für den Klima- und Ressourcenschutz, denn damit kann ein Neubau eingespart werden und somit Energie und Ressourcen.
Die Orientierungsberatung und Öffentlichkeitsarbeit
Im Forschungsprojekt Lebensräume hat das Team deshalb ein Konzept zur Wohnraummobilisierung in Kommunen entwickelt: Erfolgreich erprobt wurde eine Orientierungsberatung, bei der auf Wunsch eine Beraterin oder ein Berater einen Hausbesuch macht, den Zustand des Gebäudes einschätzt und mit den Ratsuchenden Wohnwünsche und Wohnkriterien für das Alter ermittelt. Darauf aufbauend werden verschiedene Wohnmöglichkeiten vorgestellt, priorisiert und erste Schritte dorthin festgelegt.
Damit Kommunen erfolgreich eine Wohnraummobilisierung anstoßen können, ist zudem eine intensive Öffentlichkeitsarbeit notwendig, die Orientierungsberatung sollte von den Kommunen beworben und von weiterführenden Angeboten, wie einer Finanzierungs- oder Umbauberatung, begleitet werden.
Handreichung erklärt praktische Umsetzung – Erklärfilm zeigt Zusammenhänge
Das gesamte Konzept ist in der Handreichung „Wohnraummobilisierung – gut für Menschen, Kommune und Klima“ dargestellt. Sie zeigt in sechs Schritten, wie geeignete Zielgruppen auf ihr vorhandenes Wohnraumpotenzial angesprochen werden können und richtet sich an alle, die einen kommunalen Beratungsprozess initiieren und institutionalisieren können: an die Kommunalpolitik, an die Verwaltung, an Beratungsinstitutionen und beispielsweise Verbände. Auch ein Erklärfilm, den das ISOE entwickelt hat, damit die Zusammenhänge hinter einer bedürfnisorientierten Wohnraumnutzung deutlich werden können, steht Interessierten zur Verfügung.
- Erklärfilm zur Wohnraummobilität und Orientierungsberatung
- Handreichung: Leitfaden „Wohnraummobilisierung – gut für Menschen, Kommune und Klima“
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Dr. Immanuel Stieß
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