Mobilitätsforschung

Rhein-Main-Region als Blaupause für nachhaltiges Pendeln

Die Corona-Pandemie hat den Pendelverkehr in Deutschland verändert, der Berufsverkehr ging deutlich zurück. Doch mit der Rückkehr aus dem Homeoffice an den Arbeitsort könnte sich jener Trend fortsetzen, der sich vor der Pandemie deutlich abgezeichnet hat: Das Pendleraufkommen hatte sich zuletzt stetig erhöht. Wie eine nachhaltige Stadt-Umland-Mobilität zwischen Wohn- und Arbeitsort aussehen kann, untersucht derzeit ein Forschungsteam unter der Leitung des ISOE – Institut für sozial-ökologische Forschung im Projekt „PendelLabor“. Am 11. Juni 2021 fand erstmals ein Austausch mit Stakeholdern aus der Projektregion Rhein-Main statt. Dabei stellte das Forschungsteam erste Zwischenergebnisse vor. 

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S-Bahn mit Skyline von Frankfurt am Main im Hintergrund. Foto: helmutvogler – stock.adobe.com
S-Bahn mit Skyline von Frankfurt am Main im Hintergrund. Foto: helmutvogler – stock.adobe.com

Knapp die Hälfte der 41 Millionen Erwerbstätigen in Deutschland pendelte im Jahr 2016 über die Gemeindegrenze hinweg zwischen Wohnort und Arbeitsplatz. Die Folgen einer derartig hohen Pendelaktivität sind individuell und gesellschaftlich relevant – für Gesundheit, Lebensqualität und Ökologie. In dem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Forschungsprojekt „PendelLabor“ untersucht ein Team aus Wissenschaftler*innen und Partnern aus der Praxis, wie Pendeln zwischen Wohn- und Arbeitsort nachhaltiger werden und einen Beitrag zur Mobilitätswende leisten kann. 

Das Team, das von der ISOE-Mobilitätsforscherin Jutta Deffner koordiniert wird, hat dafür exemplarisch die Pendlerregion Rhein-Main mit ihrem hohen Pendleraufkommen und starken Pendelverflechtungen gewählt. In einem ersten Schritt haben die Wissenschaftler*innen und Praxispartner*innen des ISOE, der TU Dortmund, der Hochschule Rhein-Main, der ivm GmbH, des Regionalverbands FrankfurtRheinMain und der Stadt Frankfurt dafür den Status Quo der Einflussfaktoren auf das Pendeln in Deutschland zusammengeführt. Mithilfe einer umfassenden Literaturrecherche zum Forschungsstand haben sie raum- und arbeitsstrukturelle Rahmenbedingungen, die gegenwärtigen Mobilitätsangebote und -dienstleistungen sowie Wirkungen des Pendelns ausgewertet. 

Forschungsstand zur Pendelmobilität erstmals erfasst

„Wir sehen, dass Pendeln für die Betroffenen nicht nur die bloße Distanzüberwindung zwischen Wohnort und Arbeitsort bedeutet,“ sagt Jutta Deffner. „Vielmehr markiert das Pendeln den Übergang zwischen Arbeits- und Privatsphäre. Deswegen sind viele Faktoren relevant, etwa die Wohn- und Haushaltskonstellation bis hin zur Arbeitssituation und die topografisch-räumliche Situation.“ Gleichzeitig entstünden durch das Pendeln vielfältige negative Folgen wie gesundheitliche, soziale und ökologische Belastungen. „Es ist deshalb eine komplexe Aufgabe, nachhaltige Lösungen zu entwickeln, die alle Nachhaltigkeitsaspekte gleichermaßen berücksichtigen.“

Die vorliegenden Zwischenergebnisse bilden die Basis für die weitere Arbeit im Forschungsprojekt PendelLabor. „Sie zeigen uns, dass unser Ansatz, die Pendelpraktiken sehr genau zu untersuchen, um nachhaltige Maßnahmen zu finden, innovativ und sehr aussichtsreich ist“, sagt Deffner. Dabei gehe es darum, den Alltag der Pendlerinnen und Pendler und die Verwobenheit des Pendelns mit anderen alltäglichen Aktivitäten und Bedürfnissen genauer in den Blick zu nehmen – vom Einkauf bis zum Sportunterricht der Kinder und vom Gefühl der ruhigen, halben Stunde für sich allein im Auto bis zum Symbol der Fürsorge, wenn berufstätige Eltern ihre Kinder mit dem Auto zur Schule „begleiten“.

Lösungen gemeinsam mit betroffenen Kommunen und Pendler*innen entwickeln

Im weiteren Projektverlauf wollen die Wissenschaftler*innen gemeinsam mit Akteuren aus ausgewählten Kommunen experimentelle Ansätze für den Pendelverkehr entwickeln. Ein Teil davon soll von Pendler*innen erprobt werden. Dabei wird es nicht nur um verkehrliche Maßnahmen, wie verbesserte Anbindung oder Radabstellanlagen an Bahnhöfen und in Unternehmen gehen, sondern auch um alternative Arbeitszeitmodelle und Co-Working-Bereiche in den Wohnorten.

Um die Potenziale dieser Lösungsmöglichkeiten zu diskutieren, werden im Forschungsprojekt PendelLabor Stakeholder-Dialoge durchgeführt, die am 11. Juni 2021 pandemiebedingt online starteten. Zusammen mit den beiden assoziierten Partnern, der Stadt Frankfurt und dem Regionalverband FrankfurtRheinMain, diskutierte das Projektteam bei der Auftaktveranstaltung die Bedürfnisse und Erwartungen an eine nachhaltige Pendelmobilität. 

Mehr Informationen finden Sie auf der Projektwebseite www.pendellabor.de und unter ISOE-Forschungsprojekte

Wissenschaftliche Ansprechpartnerin:

Dr. Jutta Deffner
Tel. +49 69 707 6919-38 

Pressekontakt:

Melanie Neugart
Tel. +49 69 707 6919-51