Suffizienzstrategien sind umso erfolgreicher, je mehr Menschen das Prinzip kennen und im Alltag umsetzen. Damit ein sparsamer Umgang mit Gütern und ökologischen Ressourcen zum Standard wird, sind umfassende Veränderungen von Konsummustern, Alltagsroutinen, sozialen und kulturellen Praktiken nötig. Allerdings stellt sich die Frage, ob und wie diese neuen Routinen und Praktiken überhaupt zu den vielfältigen Bedürfnissen von Menschen passen.
Lernräume für ressourcen- und klimaschonendes Alltagshandeln
Im Forschungsprojekt SuPraStadt haben Wissenschaftler*innen des ISOE – Institut für sozial-ökologische Forschung in einem Quartier der hessischen Kleinstadt Kelsterbach untersucht, wie sich die Bedürfnisse der Bürger*innen in den Handlungsfeldern Ernährung und Mobilität – insbesondere im Hinblick auf soziale Teilhabe – mit den ökologischen Anforderungen der Nachhaltigkeit in Einklang bringen lassen. Außerdem haben sie untersucht, welche ressourcen- und klimaschonenden Praktiken sich die Stadtteilbewohner*innen für ihren Alltag vorstellen können. Es hat sich gezeigt, dass Suffizienz stark davon abhängt, ob Menschen geeignete Voraussetzungen vorfinden, um diese neuen Praktiken überhaupt ausüben zu können. Beispiel Gärtnern: Ein nachhaltig bewirtschafteter Garten mit selbst angebautem Gemüse schützt die Natur, schont Ressourcen, vermeidet Müll und leistet einen Beitrag zur Artenvielfalt. Doch dafür müssen Flächen im eigenen Wohnumfeld verfügbar sein, und es braucht Lernräume, um sich entsprechendes Wissen anzueignen.
Reallabor in Kelsterbach: Neue Alltagspraktiken und Routinen erproben
Im Forschungsprojekt SuPraStadt wurden solche Voraussetzungen und Lernräume geschaffen: Die Bewohner*innen des Stadtquartiers Mainhöhe in Kelsterbach konnten beispielsweise durch gemeinsames Gärtnern die Wohn- und Aufenthaltsqualität im Quartier erhöhen und den sozialen Zusammenhalt stärken: In einem nachbarschaftlichen Gartenprojekt hatten sie die Möglichkeit, selbst gewählte Gemüse- und Obstsorten sowie Kräuter anzupflanzen und zu ernten. Viele haben die gemeinschaftlichen Angebote genutzt. Die ISOE-Forscher*innen haben untersucht, wie sich solche Erfahrungen aus dem Reallabor systematisieren und verallgemeinern lassen. Welche Angebote und Methoden sind erfolgreich, um Suffizienzpraktiken auf Nachbarschafts- oder Quartiersebene zu verbreiten? Dazu wurden verschiedene Workshops, Mitmachaktionen und Lernformate erprobt. In einem nun erschienenen Leitfaden zeigen die ISOE-Forscher*innen am Beispiel des gemeinsamen Gärtnerns, wie diese Erfahrungen in die Breite getragen und von anderen aufgegriffen werden können, etwa mit einer Veranstaltungsreihe, die den Bewohner*innen neue Erfahrungsräume eröffnet, in denen Naturerleben und Verschönerung eines Stadtquartiers Hand in Hand gehen. Welche organisatorischen, sozialen und ökologischen Aspekte gibt es zu beachten?
Wissenstransfer für nachhaltige Stadtquartiere: Anleitung zum Selbermachen
Die „Anleitung zum Selbermachen: Gemeinsam Gärtnern im Quartier“ ist nur eine von fünf praktischen Anleitungen für mehr Nachhaltigkeit und Lebensqualität aus der „SuPraStadt-Toolbox“. Die Toolbox bietet weitere Leitfäden von Forschungspartnern, etwa für die „Zukunftsgerechte Reiseplanung“ oder einen „Rad Check“. Alle Anleitungen richten sich an Entscheidungsträger*innen in der Lokalpolitik, Kommunalverwaltung und lokaler Wirtschaft sowie an zivilgesellschaftliche Akteure. Sie zeigen detailliert, welche Voraussetzungen notwendig sind, um Suffizienzpraktiken im Alltag zu ermöglichen, und wie sich suffiziente Routinen in bestehende Strategien und Prozesse von Kommunen integrieren lassen. Die praxisnahen Workshops, Mitmachaktionen und Lernformate für soziales Lernen sind dabei speziell auf lokale Bedürfnisse und Strukturen zugeschnitten, um möglichst passgenau zu einer nachhaltigen Transformation in Stadtquartieren beitragen zu können.
Publikationen zum freien Download:
Immanuel Stieß, Laura Trost, Malaika Rahm (2024): Anleitung zum Selbermachen: Gemeinsam Gärtnern im Quartier Download (pdf)
Alle Inhalte der SuPraStadt-Toolbox zum freien Download: https://osf.io/bkdxy/
Über das Forschungsprojekt SuPraStadt II
Das Projekt „SuPraStadt II – Lebensqualität, Teilhabe und Ressourcenschonung durch soziale Diffusion von Suffizienzpraktiken in Stadtquartieren“ unter der Leitung des ifeu – Institut für Energie und Umweltforschung Heidelberg wurde durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), Förderschwerpunkt „Umsetzung der Leitinitiative Zukunftsstadt“ gefördert. Mehr Informationen über Projekt- und Praxispartner finden Sie hier.
Über das Reallabor in Kelsterbach
Das Reallabor Mainhöhe wurde vom ISOE – Institut für sozial-ökologische Forschung geleitet. Projektpartner waren die NH Projektstadt Unternehmensgruppe Nassauische Heimstätte/Wohnstadt Frankfurt und die Stadt Kelsterbach. www.mainhoehe.de/suprastadt
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Dr. Immanuel Stieß
Tel. +49 69 707 6919-19
immanuel.stiess(at)isoe.de
www.isoe.de
Pressekontakt:
Melanie Neugart
Tel. +49 69 707 6919-51
melanie.neugart(at)isoe.de
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