ISOE-Interview zum Weltwassertag

Dürren und Wasserverfügbarkeit in Deutschland: „Veränderung ist das neue Normal“

Seit 2018 hatte Deutschland mit Dürren zu kämpfen. Extrem trockene Böden sorgten für Ernteausfälle in der Landwirtschaft. Waldbrände und ausgetrocknete Flüsse haben die Erinnerungen vieler an die letzten Sommer geprägt. In einigen Landkreisen wurden zudem Verbote für Wasserentnahmen verhängt, mancherorts waren die Grundwasserstände bedenklich niedrig. Die Versorgungssicherheit mit Trinkwasser in Deutschland wurde erstmals breit diskutiert. Nun lässt eine Nachricht aufhorchen: Laut dem Dürremonitor des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) ist die extreme Trockenheit nach dem nassen Herbst und Winter 2023/24 überwunden. Ein Gespräch mit ISOE-Forscher Robert Lütkemeier über Grundwasserpegel, hydrologische Extreme und Normalzustände.

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Pfützen auf einer grünen Wiese und blauer Himmel
Foto: darekb22 - stock.adobe.com

Die Dürrejahre liegen in Deutschland hinter uns, so schätzen es Forschende des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) ein. Woran erkennt man, dass eine Dürre vorbei ist?

Robert Lütkemeier: Das Ende einer Dürre lässt sich nicht anhand eines einzigen Merkmals feststellen. Wir müssen dazu drei Ebenen betrachten, die sich vor allem im Zeitrahmen unterscheiden: die meteorologische, die landwirtschaftliche beziehungsweise hydrologische und die sozioökonomische. Von einer meteorologischen Dürre sprechen wir, wenn zum Beispiel die aktuellen Regenmengen stark unter dem Durchschnitt der letzten 30 Jahre liegen. Bleiben diese Niederschlagsdefizite über längere Zeiträume bestehen, paust sich das in den Bodenwasserspeicher, das Grundwasser und die Flüsse durch. Das bedeutet, den Pflanzen fehlt es an Wasser zum Wachsen und Flüsse führen deutlich weniger Wasser. Das bezeichnen wir als landwirtschaftliche oder hydrologische Dürre. Bei der sozioökonomischen Dürre betrachten wir noch längere Zeiträume und schauen, ob Gesellschaft und Wirtschaft unter Wasserknappheit leiden, die sowohl natürlich als auch durch Missmanagement verursacht sein kann. Eine Dürre ist letztlich dann vorbei, wenn die aktuelle Wassersituation im Hinblick auf diese Dürreformen wieder im langjährigen Mittel liegt.

Was heißt das für die Jahre seit 2018, in denen Dürren in Deutschland immer wieder ein Thema waren?

Robert Lütkemeier: Wenn wir uns die Zeit seit 2018 ansehen, haben wir alle drei Formen der Dürre in unterschiedlicher Intensität erlebt. Aktuell sieht es nun in der Tat so aus, dass sich die Grundwasserstände in Deutschland durch den feuchten Winter regeneriert haben. Die Erholung der Grundwasserstände ist ein positives Zeichen, aber doch leider nur eine Momentaufnahme. Und die Situation sieht in anderen europäischen Ländern, wie etwa in Spanien, derzeit ganz anders aus. Dort kämpfen die Menschen mit einer sehr intensiven Trockenheit.

Aber in Deutschland haben die Grundwasserbestände nach all den Dürrejahren einen Normalzustand erreicht?

Robert Lütkemeier: In vielen Regionen Deutschlands liegen die Grundwasserpegel wieder auf Normalniveau oder gar darüber. In Hessen weisen nur noch vier Prozent der Grundwassermessstellen einen „sehr niedrigen Stand“ auf, das hatten wir zuletzt vor sechs Jahren. Aber ehrlicherweise muss man dazusagen, dass die Frage, was eigentlich ein „Normalzustand“ ist, nicht trivial ist, sondern im Gegenteil sehr komplex.

Was macht die Einschätzung so schwierig?

Robert Lütkemeier: Die Definition von „normal“ hängt bislang von langjährigen, meist 30-jährigen Durchschnittswerten ab. Die gängige, wissenschaftliche Annahme ist, dass sich kurzfristige Schwankungen in diesem Zeitraum herausmitteln. Allerdings könnte mit dem Klimawandel diese Grundannahme ins Wanken kommen, denn es könnte sich bei solchen Dürreereignissen nicht um die normale Variabilität des Klimas handeln, sondern um einen Trend hin zu häufigeren und intensiveren Trockenphasen. Das bedeutet, dass unsere Managementstrategien für eine sichere Wasserversorgung flexibler werden müssen.

Das Ende der Dürre ist also nur eine Momentaufnahme, die uns nicht darüber hinwegtäuschen sollte, dass wir es weiterhin mit extremen Hitzeperioden im Sommer zu tun haben werden?

Robert Lütkemeier: Leider ja. Der Klimawandel stellt eine signifikante Unsicherheit dar, die es erschwert, langfristige Prognosen über den Zustand unserer Wasserressourcen zu machen. Die Bandbreite der Klimamodelle zeigt, dass die Wahrscheinlichkeit von Extremwetterereignissen wie Hitzeperioden, Dürren, Starkniederschlägen und Hochwasser grundsätzlich zunehmen wird – in welcher Höhe und wo, ist jedoch unklar. Die Zeit seit 2018 könnte in dieser Hinsicht ein Vorbote sein für wiederkehrende mehrjährige Knappheitsphasen, mit denen wir uns in Zukunft auseinandersetzen müssen. Deshalb müssen wir uns als Gesellschaft so aufstellen, dass wir von Extremereignissen nicht überrascht werden, sondern im Idealfall sogar aus ihnen lernen und damit einen Nutzen ziehen können.

Das vollständige ISOE-Interview mit Robert Lütkemeier finden Sie in unserem Blog Soziale Ökologie: 
„Veränderung ist das neue Normal.“ ISOE-Wasserforscher Robert Lütkemeier über Dürren und Wasserverfügbarkeit in Deutschland

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