Biodiversitätsforschung

Bedrohte Insektenvielfalt in Naturschutzgebieten – Empfehlungen aus dem Forschungsprojekt DINA

Der Rückgang des Insektenaufkommens ist seit Jahrzehnten dokumentiert. Auch in deutschen Naturschutzgebieten geht die Zahl der Insekten insgesamt zurück, zudem ist die Artenvielfalt rückläufig. Das Forschungsteam im Projekt „DINA“ hat untersucht, woran das liegt und wie Lösungen zum Schutz der Insekten aussehen könnten. In einer aktuellen Publikation in der Zeitschrift „Environmental Sciences Europe“ stellt das Autorenteam, zu dem auch Wissenschaftler*innen des ISOE – Institut für sozial-ökologische Forschung gehören, Empfehlungen für einen wirksamen Insektenschutz vor. Entscheidend ist der lokale Dialog zwischen Naturschutz und Landwirtschaft.

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Foto: manfredkoch - stock.adobe.com

Um den Rückgang der biologischen Vielfalt zu stoppen und das Insektensterben aufzuhalten, sind auch in Naturschutzgebieten große Anstrengungen nötig. Denn auch in den Schutzzonen ist die Insektenbiomasse seit den 1990er-Jahren besorgniserregend stark gesunken. Wie ließe sich der Trend umkehren? Dieser Frage ist ein transdisziplinäres Forschungsteam unter der Leitung des NABU – Naturschutzbund im Forschungsprojekt „DINA – Diversität von Insekten in Naturschutz-Arealen“ nachgegangen. Dafür wurde an 21 repräsentativen Beobachtungsstandorten eine bisher einzigartige Erhebung von Daten zur Biodiversität und möglichen Schadursachen durchgeführt. Neben der Erfassung von Pflanzenvielfalt und Insektendiversität durch neuartige DNA-Analysen wurden auch Daten zu Landnutzung und Pestizidbelastung von Böden und Insekten erhoben. 

Die Daten zeigten, dass landwirtschaftliche Aktivität im Umfeld von Naturschutzgebieten die Insektenvielfalt in Schutzgebieten negativ beeinflusst: Gibt es im Umfeld der Schutzgebiete einen hohen Anteil an Ackerflächen, ist eine niedrige Insektenvielfalt nachweisbar. Auch die Anzahl von Pflanzenschutzmitteln, mit denen Insekten in Kontakt kommen, ist demnach abhängig vom Agrarflächenanteil. Die naturwissenschaftliche Analyse der Daten hat zudem gezeigt, dass die negativen Einflüsse durch landwirtschaftliche Flächen im Umfeld eines Beobachtungsstandorts selbst in großen Naturschutzflächen nicht kompensiert werden können.

Schlüsselfaktor für eine Trendumkehr beim Insektensterben: Lokale Dialoge

Im jüngst erschienenen Artikel „Recommendations for effective insect conservation in nature protected areas based on a transdisciplinary project in Germany“ beschreiben Sebastian Köthe und weitere Autor*innen zum einen, wie sich negative Auswirkungen von Düngemitteln und synthetischen Pestiziden durch eine umweltverträglichere Landnutzung im Umfeld der Schutzgebiete vermeiden lassen und die Insektendiversität geschützt werden könnte. Zugleich plädieren sie für kooperative Lösungen unter Einbeziehung aller betroffenen Akteure, um mögliche Ertragsverluste der Landwirtschaft zu kompensieren und zu vermitteln. Neben Maßnahmenvorschlägen zur verbesserten Wirksamkeit von Schutzgebieten betonen die Wissenschaftler*innen, wie wichtig es ist, dass alle beteiligten Akteure miteinander ins Gespräch über Insektenschutz und mögliche Zielkonflikte kommen. 

In der Kommunikation zwischen Verantwortlichen der Landwirtschaft und des Naturschutzes und deren gemeinsamem Engagement für den Insektenschutz sehen die Autor*innen sogar einen Schlüsselfaktor zur Trendumkehr. Um dem Insektensterben in Naturschutzgebieten zu begegnen, werden deshalb aus Sicht der DINA-Forscher*innen geeignete Beratungs- und Finanzierungsmöglichkeiten benötigt, um lokale Dialogprozesse zur Entwicklung einvernehmlicher Lösungen durchzuführen. Die Einbindung von Interessengruppen auf lokaler Ebene könne das Naturschutzmanagement erheblich fördern. Dazu gehörten auch Umweltbildungsmaßnahmen und agrarökologische Schulungen für Praktiker*innen, um das Wissen der Interessengruppen und der lokalen Bevölkerung über wirksamen Insektenschutz zu verbessern. „Um eine breite gesellschaftliche Unterstützung zu ermöglichen, sollten die biologische Vielfalt und ihr Schutz als Bestandteil der Bildung für nachhaltige Entwicklung etabliert werden“, schlussfolgern die Autor*innen. 

Über die Studie 

Die Studie „Recommendations for effective insect conservation in nature protected areas based on a transdisciplinary project in Germany” ist in der Open-Access-Zeitschrift Environmental Sciences Europe volume 35, Article number: 102 (2023) erschienen und im Zuge des Forschungsprojektes „DINA – Diversität von Insekten in Naturschutz-Arealen“ entstanden. In dem transdisziplinären Forschungsprojekt, das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert wurde, arbeiteten von 2019 bis 2023 neun Partnerinstitute unter der Leitung des NABU zur Insektenvielfalt in Naturschutzgebieten. An repräsentativen Standorten wurden Fluginsekten mittels Malaisefallen durch den Entomologischen Verein Krefeld und Ehrenamtliche des NABU erfasst und dokumentiert. Die Auswertung mit modernen molekularen Methoden der Artbestimmung über DNA-Analysen (Metabarcoding) erfolgte durch das Leibniz-Institut zur Analyse des Biodiversitätswandels in Bonn, Vegetationsanalysen durch die Universität Kassel und die Spurenstoffanalytik durch die Universität Koblenz-Landau. Das IÖR (Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung) analysierte Geodaten rund um die Untersuchungsstandorte. Die sozialwissenschaftlichen Analysen wurden vom IZNE der Hochschule Bonn Rhein-Sieg vorgenommen. Das ISOE – Institut für sozial-ökologische Forschung führte Dialogworkshops in drei Naturschutzgebieten in Deutschland durch.

Weitere Informationen unter www.dina-insektenforschung.de 

Recommendations for effective insect conservation in nature protected areas based on a transdisciplinary project in Germany. Sebastian Köthe, Nikita Bakanov, Carsten A. Brühl, Lisa Eichler, Thomas Fickel, Birgit Gemeinholzer, Thomas Hörren, Aleksandra Jurewicz, Alexandra Lux, Gotthard Meinel, Roland Mühlethaler, Livia Schäffler, Christoph Scherber, Florian D. Schneider, Martin Sorg, Stephanie J. Swenson, Wiltrud Terlau, Angela Turck & Gerlind U. C. Lehmann (2023). Environmental Sciences Europe volume 35 (102). https://doi.org/10.1186/s12302-023-00813-5  

Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Dr. Florian Dirk Schneider
Biodiversitätsforscher ISOE
Tel. +49 (0)69 707 6919-71

www.isoe.de  

Dr. Sebastian Köthe
Data Scientist NABU
Tel.: +49 (0)172 160 7894

Pressekontakt:

Melanie Neugart
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