Der nächste Bahnhof ist kilometerweit entfernt, die Bushaltestelle wird nicht mal stündlich angefahren, und wenn der Bus kommt, müssen die Fahrgäste oft lange Strecken mit vielen Haltestellen in Kauf nehmen. Kein Wunder, dass im ländlichen Raum vor allem der private Pkw genutzt wird, um von A nach B zu kommen. Alternativen wie Carsharing lohnen sich in ländlichen Regionen kaum. „Doch der ÖPNV könnte seine Attraktivität in Zukunft gerade in den ländlichen Regionen erhöhen“, meint Konrad Götz vom ISOE – Institut für sozial-ökologische Forschung, „wenn es ihm gelingt, mithilfe der Technologie des automatisierten Fahrens Versorgungslücken zu schließen“.
Deshalb sei das autonome Fahrzeug keine Konkurrenz zum ÖPNV. „Im Gegenteil“, sagt Götz, „das selbstfahrende Fahrzeug ist in Kombination mit dem digitalen Zugriff vom Smartphone unter bestimmten Voraussetzungen eine Chance für den ÖPNV“. Nicht nur in den ländlichen Regionen, auch an zeitkritischen Umsteigeorten von Bahnen und Bussen, an denen Reisende oder Pendler auf eine möglichst zeitnahe Verkehrsverbindung angewiesen seien, könnten autonome Fahrzeuge „on demand“ attraktiv werden.
Alltagstauglich und nachhaltig: Der ÖPNV on demand
„Wir sehen schon seit einigen Jahren, dass der Anteil der Verkehrsteilnehmer wächst, der überdurchschnittlich oft verschiedene Verkehrsmöglichkeiten kombiniert und das Fahrrad genauso ergänzend zum eigenen Auto nutzt wie Carsharing-Angebote oder den ÖPNV“, sagt Mobilitätsforscher Götz. Zu diesem neuen, sogenannten multioptionalen Verkehrsverhalten passe ein „ÖPNV on demand“ – als zusätzliches logistisches Element in der Mobilitätskette.
Kommunen, Verkehrsgesellschaften und Dienstleister sollten sich rechtzeitig auf den Einsatz von autonomen Fahrzeugvarianten einstellen, meint Götz. Vor allem solche, die von mehreren Personen genutzt werden können, wie selbstfahrende Sammeltaxis oder größere Kabinenfahrzeuge. Die neue Technologie könne dann einen Beitrag zu einer nachhaltigen Mobilitätsentwicklung leisten – vorausgesetzt, sie fahren CO2-neutral, etwa in der Elektrovariante aus regenerativen Stromquellen.
Aus Sicht des ISOE-Forschers ist „ÖPNV on demand“ im Moment das einzig sinnvolle Anwendungsgebiet für die neue automatisierte und vernetzte Technologie – sofern sie die bestehenden juristischen, ethischen und sicherheitsrelevanten Probleme überhaupt lösen kann. „Die Industrie wirbt derzeit stark mit dem möglichen Komfort, der Bequemlichkeit und einem Zeitgewinn während der Fahrt im autonomen Fahrzeug der Zukunft“, beobachtet Götz. „Aber das führt nur zu einer Zeitverdichtung, dann müssen wir auch noch im Auto E-Mails abarbeiten. Gesellschaftlich viel wichtiger ist doch die Frage, ob und wie die Technik, die da auf uns zukommt, einen Beitrag zu einer nachhaltigen Mobilität leisten kann.“