Für den gerade erschienenen Bericht „Soziale Teilhabe durch nachhaltigen Konsum: Ergebnisse eines Verbraucher*innen-Panels“ hat das ISOE-Team unter der Leitung von Konsumforscher Immanuel Stieß mehr als 80 Personen aus unterschiedlichen sozialen Gruppen und Milieus zu ihren alltagspraktischen Erfahrungen und Einstellungen gegenüber nachhaltigen Konsumpraktiken befragt. Ziel war es, vor allem Einblicke in Muster von Akzeptanz und Ablehnung innerhalb von Gruppen zu gewinnen, die bisher wenig Erfahrungen mit nachhaltigem Konsum haben. Befragt wurden beispielsweise Jugendliche und Erwachsene aus prekären Milieus sowie Migrant*innen.
Auf Basis dieser Befunde arbeitete das Team charakteristische „Logiken“ der sozialen Teilhabe und Beteiligung an nachhaltigen Konsumpraktiken für die einzelnen Milieus heraus. Diese Logiken ergeben sich aus der zentralen Frage, inwiefern diese Konsumpraktiken aus Sicht der Befragten als Erweiterung ihrer materiellen oder auch symbolischen Chancen der sozialen Teilhabe angesehen werden oder als Beeinträchtigung. Eine Erweiterung materieller Teilhabechancen ist beispielsweise dann möglich, wenn nachhaltiger Konsum den Zugang zu Gütern und Dienstleistungen eröffnet, die sonst unerschwinglich wären. Das kann etwa durch den Kauf gebrauchter Produkte der Fall sein oder durch die Teilnahme an Sharingmodellen.
Nachhaltiger Konsum und soziale Teilhabe in unterschiedlichen Gruppen
In welchem Verhältnis stehen nachhaltige Konsumpraktiken und soziale Teilhabe aus Sicht der befragten Milieus? Die ISOE-Befragung umfasste neben dem bürgerlichen Mainstream junge Prekäre, junge Kritisch-Kreative und prekäre Erwachsene – Gruppen also, die in der Nachhaltigkeitsforschung bisher wenig Beachtung fanden. Im Ergebnis zeigt sich eine gruppenspezifisch und abhängig vom Konsumthema sehr unterschiedliche Relevanz von Umwelt- und Nachhaltigkeitsthemen. Damit gehen verschiedene Logiken sozialer Teilhabe einher. So besteht bei prekären Haushalten eine große Offenheit gegenüber nachhaltigen Konsumpraktiken, wenn dadurch die materiellen Teilhabechancen erweitert werden.
Beispiele dafür sind die Selbstversorgung mit Obst und Gemüse aus dem (Schreber-)Garten oder das Reparieren von Produkten anstatt der Entsorgung und Neuanschaffung – auch als kleine Dienstleistungen im sozialen Umfeld. Mitunter ist der Secondhand-Handel auf Flohmärkten und auf Internetplattformen ein Zuverdienst. Potenziale für nachhaltigen Konsum ergeben sich vor allem dann, wenn Synergien und Entlastung der eigenen Lebensführung bewusst gemacht und bestärkt werden. Teilhabechancen erhöhen sich auch durch Unterstützungsangebote und verbesserte Infrastrukturen, etwa solche, die die Nutzung eines Fahrrads für die Alltagsmobilität ermöglichen. Allerdings gibt es auch eine verbreitete Skepsis und Abgrenzung gegenüber Nachhaltigkeitssymboliken und -praktiken der bessergestellten nachhaltigkeitsorientierten Milieus. So wird zum Beispiel eine vegane Ernährungs- und Lebensweise vielfach als weltfremd angesehen.
Weitere Milieus für nachhaltige Konsumpraktiken gewinnen
Das Verbraucher*innen-Panel liefert nicht nur analytische Befunde zu Einstellungen und Wahrnehmungsmustern, sondern zeigt auch deutlich, dass sich gerade bei den als nachhaltigkeitsfern geltenden Gruppen die Chancen auf soziale Teilhabe durch nachhaltige Konsumpraktiken erhöhen können. Daraus ergeben sich neue Möglichkeiten, Milieus, die bisher wenig Erfahrung mit nachhaltigen Konsumpraktiken haben, für dieses Thema zu gewinnen.
Der Bericht „Soziale Teilhabe durch nachhaltigen Konsum: Ergebnisse eines Verbraucher*innen-Panels“ von Immanuel Stieß, Barbara Birzle-Harder, Melina Stein unter Mitarbeit von Radojka Savic ist ein Zwischenbericht im UBA-Projekt „Bürgerbeteiligung und soziale Teilhabe im Rahmen der Umsetzung des Nationalen Programms für nachhaltigen Konsum: neue Impulse für das bürgerschaftliche Engagement“ unter der Leitung des Öko-Instituts.
Zur Publikation
Soziale Teilhabe durch nachhaltigen Konsum: Ergebnisse eines Verbraucher*innen-Panels
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