in wenigen Tagen endet für viele die hektische Vorweihnachtszeit. Auf Wochen voller Termine folgen „zwischen den Jahren“ ruhigere Tage, die Gelegenheit zu Reflexion und Einordnung bieten – auch in Bezug auf die aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen.
Unsere Welt erscheint zunehmend widersprüchlich: Probleme werden erkannt, Lösungen jedoch oft aufgeschoben oder blockiert. In solchen Momenten wächst das Gefühl der Ohnmacht und Orientierungslosigkeit, und bei vielen auch das Bedürfnis nach Rückzug ins Private. Wie können wir in Zeiten wachsender Spaltung und Unsicherheit handlungsfähig bleiben?
Der Essayist Daniel Schreiber beschreibt in seinem Buch „Liebe! Ein Aufruf“, wie Entfremdung, Zynismus und politische Stagnation unsere Gegenwart prägen. Er spricht von einer „Hypernormalität“ – einem Zustand, in dem Probleme zwar erkannt, die falschen Maßnahmen jedoch fortgesetzt werden. Diese Haltung begünstige rechtsextreme Tendenzen und schwäche demokratische Prozesse. Schreiber plädiert dafür, dem etwas entgegenzusetzen – nicht durch politische Rezepte, sondern durch eine Haltung: Empathie, Anerkennung des Anderen und die Bereitschaft, Gemeinsinn und Solidarität zu leben. Für ihn meint Liebe hier kein romantisches Gefühl, sondern ein praktisches, verbindendes Prinzip. Diese „Liebe zur Welt“ könne helfen, gesellschaftliche Spaltung zu überwinden und eine Kultur der Kooperation und Verantwortung zu stärken.
Die Denkerinnen und Denker, auf die er sich bezieht – Martin Luther King, Albert Schweitzer, Hannah Arendt – zeigen, dass ethische Haltung und kollektives Engagement gesellschaftliches Zusammenleben formen können. Arendt betont etwa, dass Öffentlichkeit nicht nur Raum des Diskurses, sondern Bedingung von Erkenntnis ist. In ihrem Essay „Die Lüge in der Politik“ warnt sie davor, dass Lügen – heute würden wir sie Fake News nennen – Orientierung im öffentlichen Diskurs untergraben. Wie können wir urteilsfähig bleiben, wenn Desinformation Wahrnehmung und Vertrauen verzerrt?
Unsere Tagung „Sozial-ökologische Transformationen im Gegenwind – Wie weiter“ machte deutlich, dass gesellschaftliche Transformationen nicht nur technisches Wissen, sondern auch die Fähigkeit erfordern, in polarisierten Kontexten zusammenzuarbeiten, Widerstand zu verstehen und produktiv zu begegnen. Gerade die transdisziplinäre Forschung kann hier mehr leisten als die Bereitstellung von Fakten: Sie eröffnet Räume für Austausch, fördert Kooperation und liefert Ansatzpunkte für praktische Lösungen. Die Tagung zeigte, wie Akteure aus Wissenschaft, Verwaltung, Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft gemeinsam Strategien entwickeln und Handlungsoptionen für nachhaltige Veränderungen erarbeiten können.
Auch im kommenden Jahr werden wir an solchen Antworten auf die Herausforderungen unserer Zeit arbeiten – mit der Überzeugung, dass Veränderungen nur durch Zusammenarbeit, Offenheit und die Anerkennung vielfältiger Perspektiven möglich sind.
Wir wünschen Ihnen für die bevorstehenden Feiertage Momente der Ruhe und Gelegenheit zur Orientierung für das neue Jahr.
Dr. Nicola Schuldt-Baumgart
Leitung Wissenskommunikation und Wissenstransfer, Pressesprecherin
Sozial-ökologische Transformation im Gegenwind – Rückblick auf die ISOE-Tagung
Welche Folgen ergeben sich aus dem Erstarken populistischer Denkweisen und gezielter Desinformation für die sozial-ökologische Nachhaltigkeitsforschung? Darüber haben wir mit den Gästen unserer ISOE-Tagung diskutiert – konzentriert, konstruktiv und sogar heiter.
Konflikte um den Wald der Zukunft: Wie konstruktive Lösungen gelingen
Wälder müssen klimaresilient werden, doch Konflikte zwischen Interessengruppen bremsen die Entwicklung. Forschungsergebnisse zeigen, wie Mediation helfen kann, Konflikte um den Wald der Zukunft zu lösen. Die Ergebnisse sind in einem Leitfaden und in einer KI-gestützten Dialoganwendung verfügbar.
Hoffnung in Zeiten des Klimawandels: ISOE-Lecture mit der Philosophin Corine Pelluchon
Was unterscheidet Hoffnung von Optimismus? Und wie kann Hoffnung der Schlüssel für nachhaltige Veränderungen werden? Darüber spricht die französische Philosophin Corine Pelluchon in der ISOE-Lecture an der Goethe-Universität Frankfurt am 5. Februar 2026
Landschaft ist veränderbar: Animationsvideo ermöglicht Blick in die Zukunft
Die Weinberge des Rheingaus sind Teil einer einzigartigen Kulturlandschaft. Ein Animationsvideo aus dem Transferprojekt GeisTreich zeigt, wie diese Landschaft künftig aussehen könnte. Das Video lädt dazu ein, gemeinsam neue Perspektiven für eine nachhaltige Entwicklung zu entdecken.
Internationales Kompetenzzentrum für Naturschutz in Frankfurt: ISOE ist Gründungsmitglied
In Frankfurt am Main entsteht ein Kompetenzzentrum für Naturschutz und nachhaltige Entwicklung. Das vom ISOE mitgegründete Frankfurt Conservation Center (FCC) will zur Erhaltung der biologischen Vielfalt, dem Schutz des Klimas und der Förderung sozial-ökologischer Entwicklung beitragen.
Mikroplastik in Meeresfrüchten: Zwischen öffentlicher Wahrnehmung und wissenschaftlicher Evidenz
Kunststoffpartikel sind allgegenwärtig – auch in Lebensmitteln. Oft gelten Meeresfrüchte als besonders belastet. Eine aktuelle Studie vergleicht die öffentliche Wahrnehmung und die wissenschaftliche Datenlage und ordnet die Risiken im Verhältnis zu anderen Aufnahmequellen von Mikroplastikpartikeln ein.
Risikovorsorge bei Sturzfluten: Anpassung an den Klimawandel in ariden Regionen
Extremwetter trifft wasserarme Regionen besonders schwer: Immer wieder führen Starkregen in Ländern des Nahen Ostens und Nordafrika zu verheerenden Flutkatastrophen. Ein aktueller ISOE Policy Brief empfiehlt Maßnahmen zur Risikovorsorge und für eine bessere Regenwassernutzung.
„Anpassungsscanner“: Neues Tool zeigt Kommunen den Stand ihrer Klimaanpassung
Das ISOE hat ein Tool zur kommunalen Klimaanpassung entwickelt: Mit dem „Anpassungsscanner“ können Kommunen ab sofort ihre Anpassungsaktivitäten an die Folgen des Klimawandels eigenständig erfassen und bewerten.
Wir sind die Neuen: ISOE öffnet „Raum für Transformation“ in der Dondorf-Druckerei
Das Institut für sozial-ökologische Forschung (ISOE) gehört zu den Initiativen, die Räume in der Frankfurter Dondorf-Druckerei nutzen. Wir freuen uns sehr, Teil des Projekts 2og:dondorf zu sein, das gemeinschaftlich einen neuen Ort für den Austausch der Stadtgesellschaft eröffnet. Seien Sie gerne unsere Gäste, wenn wir künftig zum Beispiel unsere beliebte Veranstaltungsreihe der Frankfurter Bürger-Uni in das 2. OG der Dondorf-Druckerei verlegen! Diese Nutzungsmöglichkeit als „Raum für Transformation“ war keineswegs vorhersehbar. Es wurde lange leidenschaftlich gestritten und gerungen um das von Abriss bedrohte Gebäude des ehemaligen Besitzers Bernhard Dondorf (1809–1902) in Bockenheim. Wir danken an dieser Stelle ausdrücklich unserem Kollegen Dr. Konrad Götz, der sich ehrenamtlich mit der „Initiative Dondorf-Druckerei“ dafür eingesetzt hat, dass das Gebäude erhalten bleibt. Und dafür, dass die eindrückliche Geschichte der jüdischen Unternehmerfamilie Dondorf – von Revolutionären zu Verfolgten durch die Nationalsozialisten – nicht dem Vergessen anheimfällt.
Unsere Arbeit lebt von Partnerschaften, die unterschiedliche Erfahrungen und Perspektiven zusammenführen und neue Einsichten ermöglichen. Wir danken Ihnen daher herzlich für Ihre Impulse, die vertrauensvolle Zusammenarbeit und den offenen Austausch und freuen uns darauf, auch im kommenden Jahr gemeinsam Wege für eine verantwortungsvolle Zukunftsgestaltung zu entwickeln.
Termine
23.12.
Seminar Masterstudiengang "Öffentliche Verkehrsmittel als 'dritte Orte'"
online / LMU
Vortrag Jutta Deffner "Wege zum Bahnhof der Zukunft"
Welche Auswirkungen hat der Klimawandel auf unsere Wasserressourcen? Droht auch in Deutschland Wassermangel? Vor welchen Herausforderungen steht die Wasserwirtschaft?